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Überschussbeteiligung: So funktioniert sie bei den verschiedenen Lebensversicherungen

Versicherungsprodukte im Allgemeinen und Lebensversicherungen im Speziellen sind keine einfache Sache. Das ist schon so. Gerade in der Lebensversicherung sorgt der „wilde Zoo“ an Produkten für ein kollektives Unverständnis und für viele Fragezeichen bei der Produktwahl. Das Thema Überschussbeteiligung trägt dabei häufig nicht zum besseren Verständnis bei.  

Was die Überschussbeteiligung genau ist und wie sie entsteht, habe ich Ihnen in meinem letzten Klartext-Artikel erläutert. Sie finden in diesem Artikel alles, was Sie für ein besseres Verständnis der Überschussbeteiligung brauchen. Sie haben diesen Artikel noch nicht gelesen? Dann empfehle ich Ihnen, diesen erst zu lesen, bevor Sie hier fortfahren.

In meinem neuen Artikel zeige ich Ihnen, wie die Überschussbeteiligung bei den gängigen Lebensversicherungen genau wirkt. Grundsätzlich sorgt eine Überschussbeteiligung für eine Leistungserhöhung in Form einer höheren Auszahlung, für eine höhere Rente oder für einen reduzierten Beitrag.

Heute erfahren Sie, wie dies bei den einzelnen Produkten funktioniert. Beginnen wir mit der Rentenversicherung während der Sparphase.

Überschussbeteiligung bei Rentenversicherungen in der Sparphase

(Moderne) Klassische Rentenversicherung („Klassik“)

Dass die Klassik für viele noch immer ein Buch mit 7 Siegeln geblieben ist, liegt auch an der veränderten Kernbotschaft über die letzten Jahrzehnte. Welchen Fokus das Marketing auf das vermeintlich einzig wichtige Element der Klassik gelegt hat, hat sich ständig verändert. Das Produkt selbst ist aber nahezu gleichgeblieben:

  • Zunächst war die Garantie das alles Entscheidende. Mit der Garantie konnten Lebensversicherer trotz der hohen Kosten richtig wuchern. Der Höchstrechnungszins (auch „Garantiezins“) war sehr hoch. Kombiniert mit einer langen Laufzeit konnte so eine ansprechend hohe Garantie versprochen werden.
  • Im Zuge des sinkenden Garantiezinses ab der Jahrtausendwende wurde vermehrt die Gesamtverzinsung, also der Garantiezins plus Überschussbeteiligung, in den Mittelpunkt gestellt. Es kam nun plötzlich auf das „mehr als die Garantie“ an.
  • Als die Marktzinsen dann wieder deutlich sanken, musste die Klassik modern gemacht werden. „Modern“ bedeutete dabei aber nur, die Garantien weiter zu reduzieren. Die Argumentation war dann: Weniger Garantie ist wesentlich besser! Denn der Lebensversicherer kann dann (theoretisch) mehr in chancenorientierte Kapitalanlagen investieren. Und dies soll dann zu einer höheren Rendite für den Kunden führen. Wir werden gleich noch sehen, ob dies für den Kunden auch aufgeht.

Mit diesem Sinneswandel im Marketing rückten auch sperrige Begriffe wie „Überschussbeteiligung“ und „Mindestzuführungsverordnung“ in den Vordergrund.

Statt das Produkt an den Kapitalmarkt anzupassen oder noch besser, gleich andere Produkte zu entwickeln, wurde nur die Marketing-Botschaft verändert.

Gleichzeitig war plötzlich auch die Kapitalanlage eines Lebensversicherers im Fokus, sein sogenannter „Deckungsstock“. Diese Kapitalanlage musste sich direkt in Vergleichen mit Mischfonds und anderen Anlageprodukten messen. Aber dies macht aus folgenden Gründen überhaupt keinen Sinn: wegen der Langfristigkeit der Kapitalanlage und dem besonderen Konstrukt der Klassik mit seiner Überschussbeteiligung und dem Ausgleich im Kollektiv.

Die Treiber für die Überschussbeteiligung bei der Klassik sind: die Entwicklungen der Kapitalanlagen, des Bestandes hinsichtlich der biometrischen Kalkulationsgrundlagen und der Kosten.  

Die Überschussbeteiligung sorgt bei der Klassik für einen Zuwachs des Guthabens und wirkt damit leistungserhöhend. In den letzten rund 20 Jahren kennt die Überschussbeteiligung hier aber nur eine Richtung: nach unten.

Grafik 1 zeigt die historische Entwicklung der laufenden Verzinsung bei der Klassik. Die fallenden Zinsen am Kapitalmarkt haben, etwas zeitlich verzögert, deutliche Spuren bei der laufenden Verzinsung hinterlassen.

Historische Entwicklung der laufenden Verzinsung bei der Klassik (Branchendurchschnitt)

Grafik 1, Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/168461/umfrage/ueberschussbeteiligung-der-lebensversicherer-seit-1995/

Die unterschiedliche Entwicklung bei den Kalkulationsgrundlagen sorgt bei den einzelnen Lebensversicherer für unterschiedliche Werte bei der Überschussbeteiligung. Einen guten Überblick dafür liefert Ihnen die Webseite von Policen Direkt1. Dabei lohnt es sich, auch einen Blick auf die Entwicklung der laufenden Verzinsung bei einzelnen Anbietern zu werfen. In Grafik 2 habe ich für Sie ein paar interessante Entwicklungen visualisiert.

Historische Entwicklung der laufenden Verzinsung bei der Klassik bei einzelnen Anbietern

Grafik 2, Quelle: https://www.policendirekt.de/ratgeber/gewinnbeteiligung-aller-lebensversicherungen/

Während sich Anbieter 6 recht gut gehalten hat, ist Anbieter 3 regelrecht abgestürzt. Die Angaben zu den Unternehmen sind bewusst anonymisiert. Ich möchte Ihnen nur zeigen, dass es bei den Anbietern in den letzten Jahren durchaus unterschiedliche Entwicklungen gab.

Die moderne Klassik kann tatsächlich nur mit einer überschaubar höheren Performance glänzen.

Bei der modernen Klassik soll der Verzicht auf Garantien eine chancenreichere Kapitalanlage ermöglichen. Der Kunden soll dadurch eine höhere Überschussbeteiligung erreichen. Nach einer aktuellen Studie von Assekurata2 zeigt sich aber, dass die Überschussbeteiligung bei der Klassik nur leicht geringer ist als bei der modernen Klassik. Die durchschnittliche laufende Verzinsung bei den 7 Teilnehmern, die im Neugeschäft noch beide Produktkategorien parallel anbieten: 2,09 % (Klassik) zu 2,16 % (moderne Klassik).

Fondsgebundene Rentenversicherung

Bei der fondsgebundenen Rentenversicherung („Fondsgebundene“) wählt der Kunde die Kapitalanlage (Fonds, ETFs) selbst aus. Er ist deshalb direkt an der ausgewählten Anlage beteiligt. Es erfolgt kein Anlagemanagement durch den Lebensversicherer wie bei der Klassik. Deshalb ist bei der Fondsgebundenen der Deckungsstock des Lebensversicherers und sein Kapitalanlageergebnis nicht entscheidend.

Da normalerweise bei der Fondsgebundenen der Fokus auf dem Sparen liegt, sind die biometrischen Leistungen (z. B. eine Leistung im Todesfall) oft auf das notwendige Minimum reduziert. Aus diesem Grund spielt auch die zweite Kalkulationsgrundlage („Biometrie“) meist keine wichtige Rolle für die Überschussbeteiligung.

Somit bleibt für den Kunden nur ein positives Kostenergebnis, um auch bei der Fondsgebundenen von Überschüssen profitieren zu können. Deshalb spielt die Überschussbeteiligung insgesamt bei der Fondsgebundenen eine untergeordnete Rolle. Dies dürfte wohl erklären, warum es für diese Produktkategorie – anders als bei der Klassik – keine übersichtlichen Rankings zur Überschussbeteiligung der verschiedenen Anbieter gibt.

Überschüsse werden bei der Fondsgebundenen dem Guthaben zugeführt und somit auch in die Fondsanlage investiert. Die Höhe der Überschussbeteiligung bei der Fondsgebundenen verrät im Neugeschäft der Versorgungsvorschlag bzw. das Angebot. Bestandskunden müssen die veröffentlichte Deklaration des Anbieters durcharbeiten.

Bei der Fondsgebundenen können sich die Rückvergütungen der Fondsgesellschaften an die Lebensversicherer positiv auf die Überschüsse für den Kunden auswirken.

Folgender Aspekt wird bei der Fondsgebundenen oft unterschätzt oder vergessen: die Rückvergütungen der Fondsgesellschaften an die Lebensversicherer, die sogenannten Kickbacks. Je nach Lebensversicherer kommen diese in unterschiedlichem Umfang den Kunden, dem Unternehmen und den Vertrieben zugute. Je nach Fonds können sie bei 0,5 % p. a. und höher liegen. Sie sind deshalb alles andere als unwesentlich: über 30 Jahre 0,5 % p. a. mehr oder weniger Performance, macht am Ende einiges aus.   

Kürzlich war das Thema der Kickbacks in der Presse sehr präsent3. Und auch die BaFin beschäftigte sich intensiv damit4.

Hybrid-Produkt

Hybrid-Produkte sind uns im Privatleben schon seit vielen Jahren bekannt. Denken wir nur mal an die Automobilindustrie mit ihrer Kombination eines Elektromotors mit einem klassischen Verbrennungsmotor. In der Lebensversicherung ist ein Hybrid-Produkt ein Mix aus der Klassik und der Fondsgebundenen. Der Klassik-Anteil soll für die Sicherheit und der Fondsgebundenen-Anteil für die Performance-Chancen sorgen. Entscheidend für die Performance-Chancen eines Hybrid-Produkts ist die konkrete Aufteilung des Guthabens auf diese beiden Töpfe.

Grundsätzlich gilt: Je höher die Garantie, desto mehr Klassik steckt in dem Hybrid-Produkt. Und umso mehr ist die Performance des Produktes von der Überschussbeteiligung des Klassik-Anteils abhängig.

Bei Lebensversicherern gibt es ein breites Spektrum an Hybrid-Produkten. Im Detail gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie die Aufteilung genau ausgestaltet ist. Deshalb gleicht praktisch kein Hybrid-Produkt dem anderen. Für eine ausführlichere Betrachtung empfehle ich Ihnen meinen Klartext-Artikel zu den Hybrid-Produkten.

Für die beiden Töpfe „Klassik“ und „Fondsgebunden“ gelten die bereits gemachten Aussagen zur Überschussbeteiligung und deren Wirkung.  

Select-Produkt

Ein sogenanntes Select-Produkt ist eine Variante der Klassik. Die übliche Form der Verwendung der Überschüsse bei der Klassik ist die verzinsliche Ansammlung. Dabei werden die Überschüsse wie auf einem Sparbuch angespart und bei Vertragsende zusammen mit der garantierten Leistung ausgezahlt. Im Niedrigzinsumfeld und der sinkenden Überschussbeteiligung ist dies aber nicht besonders attraktiv.

Bei einem Select-Produkt wird das komplette Guthaben wie bei der Klassik im Deckungsstock des Lebensversicherers veranlagt. Nur die Nutzung der Überschussbeteiligung ist eine andere.

Bei den Select-Produkten geht man deshalb einen anderen Weg: Die Überschüsse werden, wenn es der Kunde wünscht, in geeignete Derivate investiert. Dank der Hebelwirkung von Derivaten kann man so mit recht „kleinem Geld“ überproportional am Kapitalmarkt partizipieren. Der Ertrag aus dieser Investition wird dann wie die Überschussbeteiligung bei der Klassik bis zum Ablauf der Versicherung angesammelt.  

Wählt der Kunde nie die Kapitalmarktbeteiligung über die Derivate, dann mutiert sein Select-Produkt zu einer modernen Klassik.

Was sind geeignete Derivate? Dazu hat jeder Anbieter seine eigene Vorstellung. Tatsächlich gibt es bei den Select-Produkten sehr viele verschiedene Ausgestaltungen der Beteiligung am Kapitalmarkt: mal wird mit Cap und/oder mit einer Beteiligungsquote an einem bekannten oder „selbstgestrickten“ Index partizipiert. Für eine ausführlichere Betrachtung der Funktionsweise der Select-Produkte empfehle ich Ihnen meinen früheren Klartext-Artikel.

Die Produktkonstruktion bei den Select-Produkten hat aber auch einen Haken: Die Kapitalmarktbeteiligung hängt von der Überschussbeteiligung des Lebensversicherers ab. Weniger Überschüsse bedeuten gleichzeitig weniger Geld, das für die Investition in die Derivate zur Verfügung steht.

Grafik 3 zeigt die Verteilung der bisherigen Renditen aus der Kapitalmarktbeteiligung seit 2007. Sie sehen, dass in rund 50 % der Fälle die Renditen bei 0 % liegt. Und nur in etwa 6 % der Fälle konnte eine zweistellige Rendite erwirtschaftet werden.

Verteilung bisheriger Renditen aus der Kapitalmarktpartizipation bei Select-Produkten (2007 – 2021)

Grafik 3, Quelle: https://ivfp.de/indexpolicen2022/

In einzelnen Jahren kann also die Wette mit den Derivaten aufgehen und aus der Kapitalmarktbeteiligung mehr als die eigentliche Überschussbeteiligung herauskommen. Auf die gesamte Vertragslaufzeit gesehen muss das aber längst nicht der Fall sein.

Überschussbeteiligung bei Rentenversicherungen beim Rentenübergang

Wählt der Kunde den Kapitalbezug, werden ihm zum Ende der Laufzeit das Guthaben mit den angesammelten Überschüssen und den Schlussüberschüssen ausgezahlt.

Wählt der Kunde die Rentenbezug, muss zunächst aus seinem Guthaben die Startrente berechnet werden. Dabei wird oft ein mehrstufiges Verfahren angewendet. Es wird zunächst die garantierte Rente ermittelt. Diese ergibt sich typischerweise aus dem garantierten Kapital (z. B. 80 % der Beiträge) und dem garantierten Rentenfaktor.5 Die garantierte Rente wird dann bei der sogenannten Günstigerprüfung mit der tatsächlichen Rente verglichen. Diese Rente ergibt sich aus dem gesamten Guthaben und dem tatsächlichen Rentenfaktor.

In Grafik 4 zeige ich Ihnen 2 mögliche Fälle. Im Fall 1 ist der tatsächliche Rentenfaktor zum Rentenbeginn mit 28 € höher als der garantierte Rentenfaktor mit 25 €. Das kann beispielsweise daran liegen, dass die Lebenserwartung im Bestand weniger stark angestiegen ist als bei Vertragsabschluss angenommen. Dadurch liegt die tatsächliche Rente mit 116,2 € über der garantierten Rente mit 87,5 €. Als Startrente werden 116,2 € ausgezahlt.

Beispiel zum mehrstufigen Verfahren beim Rentenübergang

Grafik 4

Im Fall 2 ist der tatsächliche Rentenfaktor zum Rentenbeginn mit 20 € niedriger als der garantierte Rentenfaktor. Das kann beispielsweise daran liegen, dass die Lebenserwartung im Bestand stärker angestiegen ist als bei Vertragsabschluss angenommen. Da der tatsächliche Rentenfaktor deutlich niedriger ist, liegt die tatsächliche unter der garantierten Rente – trotz eines Guthabens, das höher als das garantierte Kapital ist. Es wird dann nur die garantierte Rente mit 87,5 € als Startrente ausgezahlt.

Das mehrstufige Verfahren beim Rentenübergang kann zu Folgendem führen: Eine gute Entwicklung des Guthabens wird in der Sparphase von einer weiter steigenden Lebenserwartung neutralisiert. In diesem Fall wird ab Rentenbeginn dann trotzdem nur die garantierte Rente ausgezahlt.

Für die zum Rentenbeginn ausgezahlte Rente ist deshalb neben der Höhe des gesamten Guthabens auch die Lebenserwartung im Bestand entscheidend. Diese wird durch den tatsächlichen Rentenfaktor widergespiegelt. Für eine eingehendere Betrachtung der Rentenfaktoren empfehle ich Ihnen meinen meistgeklickten Klartext-Artikel.

Überschussbeteiligung bei Rentenversicherungen in der Rentenphase

Bisher bieten noch nicht viele Lebensversicherer eine anlageorientierte Rentenphase an. Auch wenn sich die Sparphase in den letzten Jahren geändert hat, ist die Rentenphase heute hauptsächlich noch immer rein klassisch.

Grundsätzlich fallen bei der Klassik in der Rentenphase die gleichen Überschüsse wie in der Sparphase an. Treiber für die Überschussbeteiligung in der Rentenphase sind deshalb auch: die Entwicklung der Kapitalanlagen, des Bestandes im Hinblick auf die biometrischen Kalkulationsgrundlagen (Stichwort: Langlebigkeit) und der Kosten.

Die Performance der Kapitalanlage im Rentenbezug ist eine treibende Kraft für Rentensteigerungen.

Die Überschüsse werden im Rentenbezug für Rentensteigerungen verwendet. Im Fall 1 des Beispiels aus Grafik 4 ergab sich die Startrente aus der tatsächlichen Rente (116,2 €). Diese setzt sich aus einem garantierten und einem nicht-garantierten Anteil zusammen (siehe Grafik 5).

Illustration zu den Komponenten der Rente

Grafik 5

Der nicht-garantierte Anteil kann sich künftig aber auch reduzieren, zum Beispiel bei einer stärker als erwarteten Steigerung der Lebenserwartung im Bestand. Wichtig bei der Überschussbeteiligung ist deshalb, welche der beiden Komponenten der Rente sich durch die Überschussbeteiligung erhöht. 

In jedem Fall gilt: Eine gute Performance der Kapitalanlage ist wichtig. Denn damit kann man die eventuell weiter steigende Lebenserwartung und die Inflation ausgleichen und Rentensteigerungen ermöglichen. Es ist deshalb völlig unverständlich, dass bei den meisten Lebensversicherern die Rentenphase weiter rein klassisch und somit renditearm veranlagt ist – gerade auch zum Beginn der Rentenphase, wenn das Guthaben seinen Höchststand erreicht hat.

Überschussbeteiligung bei Risikoversicherungen

Risikoversicherungen sind Lebensversicherungen, die die finanziellen Risiken von bestimmten biometrischen Risiken wie den Todesfall oder eine Berufsunfähigkeit abfedern sollen.

Mit dem sinkenden Garantiezins über die letzten Jahre sind die Beiträge bei Risikoversicherungen stetig gestiegen. Die Kapitalanlage spielt eben auch bei Risikoversicherungen eine Rolle. Je niedriger der Garantiezins, desto teurer werden Risikoversicherungen. Auf den Sinn und Unsinn von anlageorientierten Risikoversicherungen gehe ich noch in einem nachfolgenden Klartext-Artikel ein. Im Weiteren betrachte ich deshalb nur marktübliche klassische Risikoversicherungen.

Das Leistungsspektrum von Risikoversicherungen ist komplex geworden. Sie decken heute mehr als nur den Todesfall oder einen Unfall ab. Zu den üblichen Auslösern einer Leistung gehören heute bestimmte schwere Erkrankungen, die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder auch der Verlust von bestimmten Grundfähigkeiten. Produktdesign und Leistungsspektrum unterscheiden sich von Anbieter zu Anbieter. Denken wir nur an unterschiedliche Berufsklassifizierungen oder die Definition der vom Produkt gedeckten Grundfähigkeiten. Längst kommt der Vermittler ohne Produkt-Ratings und -vergleiche im wilden Dschungel der Produktentwickler nicht mehr aus.

Der Preis für die Absicherung eines biometrischen Risikos ergibt sich aus dem Leistungsspektrum des Produkts und den Annahmen zu den künftigen Leistungsfällen. Wenn der Preis bei einem Produkt niedriger ist, dann kann das daran liegen: Das Produkt sichert weniger Risiken ab und/oder der Versicherer hat weniger Sicherheitspuffer in seine Annahmen eingerechnet. Bei Letzterem hat er dementsprechend weniger vorsichtig kalkuliert.

Weniger Sicherheitspuffer und ein reduziertes Leistungsniveau ergeben grundsätzlich einen niedrigeren Preis.

Bei einer Risikoversicherung ist die Kalkulationsgrundlage „Biometrie“ die zentrale Quelle für Überschüsse. Mehr Leistungsfälle im Bestand als kalkuliert sorgen für weniger Überschüsse.

Grundsätzlich ist es denkbar, dass mit der Überschussbeteiligung bei Risikoversicherungen eine höhere Leistung finanziert werden kann. Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) bedeutet dies, dass im Leistungsfall die BU-Rente höher ausfällt. Die Überschüsse könnten aber auch verzinslich angesammelt und dann bei Vertragsende auf einen Schlag an den Kunden ausgezahlt werden.

Die häufigste Form, die Überschussbeteiligung bei Risikoversicherungen zu verwenden, ist jedoch die Beitragsverrechnung. Die Überschüsse werden von Jahr zu Jahr vom Versicherer festgelegt und sorgen für einen einjährig reduzierten Beitrag. Die Beitragsverrechnung führt also dazu, dass der Kunde statt des eigentlichen Beitrags (Bruttobeitrag) einen reduzierten Beitrag zahlt (Nettobeitrag). Dabei ist es wichtig, sich die sogenannte „Brutto-Netto-Spreizung“, die Differenz zwischen Brutto- und Nettobeitrag, bewusst zu machen.

Illustration zur Brutto-Netto-Spreizung

Grafik 6

Grafik 6 zeigt Ihnen die „Brutto-Netto-Spreizung“ für 2 Anbieter einer Risikoversicherung mit gleichem Leistungsspektrum. Anbieter 1 hat im Neugeschäft einen Bruttobeitrag von 90 €. Seine derzeitige Überschussbeteiligung führt zu einer Beitragsverrechnung von 30 €. Der Kunde zahlt bei Anbieter 1 demnach somit einen Nettobeitrag von 60 €.

Anbieter 2 kalkuliert etwas vorsichtiger und ermittelt dadurch einen höheren Bruttobeitrag von 110 €. Aufgrund der aktuellen Situation in seinem Bestand, oder eventuell auch aus Wettbewerbsgründen, gewährt er mit einer Beitragsverrechnung von 60 € eine deutlich höhere Überschussbeteiligung. Bei ihm liegt der Nettobeitrag bei 50 €. Dieser ist somit niedriger als bei Anbieter 1.  

Bei der Produktwahl nur den Nettobeitrag einer Risikoversicherung zu berücksichtigen, greift zu kurz.

Weniger künftige Überschüsse bedeuten eine kleinere Reduzierung des Beitrags. Der Kunde von Anbieter 2 müsste im „worst case“, wenn Anbieter 2 die Überschüsse auf null reduziert, den vollen Bruttobeitrag von 110 € zahlen. Bei Anbieter 1 wären es nur 90 €.

In der Vergangenheit ist es tatsächlich schon häufiger vorgekommen, dass Anbieter die Überschüsse bei Risikoversicherungen drastisch gesenkt haben.6

Bei der Auswahl der richtigen Risikoversicherung sind neben Netto- und Bruttobeitrag natürlich auch noch viele weitere Kriterien entscheidend.

Zusammenfassung

Die Überschussbeteiligung ist für alle Lebensversicherungen relevant. Sie kann bei den Produkten unterschiedlich wirken: eine Erhöhung des Guthabens oder der Leistung oder eine temporäre Reduzierung des Beitrags.

Die wesentlichen Treiber für die Überschussbeteiligung sind Folgende: die Entwicklungen der Kapitalanlagen, des Bestandes im Hinblick auf die biometrischen Kalkulationsgrundlagen und der Kosten.

Mit ein paar dieser Maßnahmen kann der Lebensversicherer die Überschussbeteiligung beeinflussen: die Kalkulation, das Underwriting/die Risikoprüfung, die Anlagestrategie, eine effizientere Verwaltung dank Digitalisierung und Automatisierung. Bei anderen Punkten ist der Lebensversicherer jedoch dem Zufall ausgesetzt: z. B. bei der Kapitalmarktentwicklung oder den tatsächlichen Leistungsfällen im Bestand.

In jedem Fall wird uns das Thema Überschussbeteiligung auch in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Gut, dass wir uns im Detail damit auseinandergesetzt haben!

Quellen

1: Die Übersicht zur Überschussbeteiligung finden Sie auf der Webseite von Policen Direkt: https://www.policendirekt.de/ratgeber/gewinnbeteiligung-aller-lebensversicherungen/

2: Die Studie von Assekurata finden Sie unter https://www.assekurata-rating.de/2022/02/10/assekurata-marktstudie-zu-ueberschussbeteiligungen-und-garantien-2022/.

3: Einen der zahlreichen Artikel in der Presse finden Sie unter https://www.versicherungsbote.de/id/4904140/DVAG-wegen-intransparenter-Kickback-Zahlungen-in-der-Kritik/.

4: Die BaFin hat das Thema unter anderem im BaFin-Journal März 2022 thematisiert. Hier finden Sie das Journal: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2022/bj_2203.pdf?__blob=publicationFile&v=6

5: Die Rentenfaktoren werden typischerweise pro 10.000 € Kapital angegeben und beziehen sich auf die monatliche Rente. Beträgt der Rentenfaktor z. B. 25 €, beträgt bei einem Kapital von 30.000 € die monatliche Rente 75 €: Man teilt das Guthaben durch 10.000 und multipliziert dann mit dem Rentenfaktor (30.000 : 10.000 x 25 = 75).

6: Eine Übersicht zu Senkungen der Überschussbeteiligung bei der Berufsunfähigkeit liefert ein Artikel von Franke & Bornberg. Sie finden diesen Artikel hier: https://www.franke-bornberg.de/blog/bu-risiko-ueberschuesse-ursachen-auswirkungen