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Optionen bei der Produktentwicklung für einen Lebensversicherer

Das Neugeschäft mit Einmalbeiträgen hat sich im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahr leicht erholt – liegt mit rund 27 Mrd. EUR aber weiterhin deutlich unter dem bisherigen Rekordjahr – und vor allem unter dem, was möglich wäre.

Auch beim Neugeschäft mit laufenden Beiträgen – ob fürs Sparen oder die Absicherung biometrischer Risiken – steckt mehr drin. So stellt sich aktuell, auch im Hinblick auf den Kundennutzen, die Frage nach der Optimierung der Produktentwicklung.

Variante 1: interne Umsetzung («Do-It-Yourself»)

Der Lebensversicherer entwickelt das komplette Produkt aus eigener Kraft und ohne externen Support. In dieser Variante liegt das Produkt auf der Bilanz des Lebensversicherers.
Pro:
volle Kontrolle, bekanntes Terrain, Know-how bleibt komplett im Haus
Contra:
oft ein sehr langwieriger Prozess, der durch interne Ressourcen und IT-Kapazitäten zudem stark limitiert sein kann

Variante 2: externe Umsetzung («Full-White-Label»)

Der Lebensversicherer fungiert als Vertrieb oder Zwischenhändler des Produkts. Das Produkt wird von einem anderen Risikoträger entwickelt und verwaltet. In dieser Variante liegt das Produkt nicht auf der Bilanz des Lebensversicherers.
Pro:
sehr hohe Umsetzungsgeschwindigkeit, geringer eigener Aufwand, ideal zum «Ausprobieren» und um kurzfristige Opportunitäten zu nutzen
Contra:
Versicherer ist nicht Risikoträger – fungiert primär nur als Vertriebspartner, Sichtbarkeit der Kooperation ist meist deutlich gegeben, Produkte oft nicht individuell entwickelt, hohe Abhängigkeit vom Partner, kaum Aufbau von eigenem Knowhow

Variante 3: Mischformen

Vom Grundsatz her sind alle Nuancen zwischen «Do-It-Yourself» und «Full-White-Label» möglich. Nachfolgend ein paar denkbare Ausgestaltungen, die teilweise natürlich auch kombinierbar sind:

3a) «IT-Partner-Modell»
Für ein neues Produkt die eigene (Kern-)IT-Welt verlassen und die Möglichkeiten eines anderen / neuen Partners nutzen und testen
Pro:
neue Möglichkeiten, flexibleres Vorgehen und vermutlich schneller, Möglichkeit den neuen Partner zu testen, minimal-invasiv zum zur eigenen (Kern-)IT-Welt
Contra:
Partner muss «an Bord» geholt und gesteuert werden, Know-how kann nach außen abfließen, möglicher Zusatzaufwand durch «Parallelität»
3b) «Investmentbank-Modell»
Bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten bei der Kapitalanlage beim Produktdesign nutzen.
Pro:
neue Möglichkeiten, flexibleres Vorgehen und Individualisierbarkeit der Kapitalanlage
Contra:
Partner muss «an Bord» geholt und gesteuert werden, Know-how kann nach außen abfließen, neue Fragestellungen z.B. bei der Rechnungslegung, oft hapert es an den eignen IT-Ressourcen und Möglichkeiten
3c) «Customized-White-Label»
Anders als beim «Full-White-abel» werden in diesem Modell werden ausgewählte Prozesse rund um das Produkt (z.B. Abschlussprozess, Leistungsprozess) intern abgedeckt.
Pro:
auch noch schnell, Spielraum in der Gestaltung der Prozesse, abgestufte Wertschöpfungskette möglich
Contra:
je nach Modell steigt die eigene Verantwortung stark, aber nicht unbedingt im gleichen Masse, wie die eigene Wertschöpfung, Abstimmung des Target-Operating-Model kann aufwendig sein
3d) «Rückversicherer-Modell»
Das Produkt wird zwar von aussen (mit)entwickelt, ist dennoch auf der eigenen Bilanz.
Pro:
Versicherer bleibt Risikoträger, die Kooperation kann im Hintergrund bleiben
Contra:
kann komplex in der Abstimmung sein, Produktlösung kann «black-box» sein, Abstimmung zum Target-Operating-Model und der Wertschöpfung kann sehr aufwendig sein, Spielraum in der Gestaltung der Prozesse sowie der Wertschöpfungskette vergleichbar zu «Customized-White-Label»

Bei der internen Variante sollte ein Lebensversicherer zunächst – ideal im Rahmen eines Pilotprojektes – seinen Produktentwicklungsprozess «auf Vordermann» bringen. Der Produktentwicklungsprozess muss schneller, innovativer und wirkungsvoller werden. Erst dann sollte eine Umsetzung der neuen Product-Roadmap erfolgen.

Bei einer White-Label-Variante macht es Sinn, im Vorfeld bereits einen möglichen «Exit» zu definieren. Konkret geht es dabei um die Möglichkeit, die Produkte & Prozesse des Partners zu internalisieren – sei es nur für das Neugeschäft oder aber auch für den Bestand.

Auch bei der Kooperation mit einem Rückversicherer macht es Sinn, bereits vor dem Start über die Internalisierung von Produkt & Prozessen nachzudenken und Vereinbarungen darüber zu treffen.

Bei allen Kooperationen sind der Kooperationsvertrag und das Kooperationsmanagement essenziell.

Das hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Zeitdruck: Muss das Produkt schon «morgen» stehen – oder ist Zeit für sorgfältige Entwicklung?
  • Budget: Welche finanziellen Mittel für die Entwicklung stehen zur Verfügung?
  • IT & Ressourcen: Welche Produkte sind im eigenen Haus realistisch umsetzbar?
  • Vertriebsstruktur: Welche Kanäle sollen mit dem neuen Produkt bedient werden?
  • Produkt- und Markenstrategie: Will man sichtbar kooperieren oder «alles aus einer Hand» anbieten?

Ein Lebensversicherer sollte sich jetzt bewusst Zeit nehmen, die Handlungsoptionen systematisch durchzuspielen und sich ehrlich zu fragen:

  • Was können wir allein stemmen?
  • Wo und wie lohnt sich eine Partnerschaft?
  • Wie sichtbar darf oder soll eine Partnerschaft sein?
  • Wo wollen wir in 1 Jahr, 3 Jahren und 10 Jahren beim Produktangebot und der Verwaltung der Produkte stehen?

Mit über 20 Jahren Erfahrung in der Produktentwicklung von Lebensversicherungen kennen wir die unterschiedlichen Handlungsoptionen aus dem Effeff. Wir wissen, was in der Praxis funktioniert – und was nicht. Wir kennen Best Practices, Stolperfallen und Abkürzungen. Und wir wissen, worauf es wirklich ankommt.