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Inflation & Lebensversicherung

Schreckgespenst Inflation:  So entsteht und wirkt sie

Wer hat Angst vor Inflation? Niemand! Und wenn sie aber kommt?

Das Schreckgespenst ist wieder da. Die Inflation. Was ist das eigentlich? Wie wird sie gemessen? Woher kommt sie? Und wie wirkt sie? Antworten dazu heute im ersten Teil meiner „kurz & knapp“-Reihe zur Inflation.

Die Inflation wird in Prozent ausgedrückt. Sie lag im Februar 2023 bei 8,7 %. Dieser Prozentsatz spiegelt die durchschnittliche Preissteigerung eines standardisierten Warenkorbs wider. Diesen Warenkorb hat das Statistische Bundesamt ins Leben gerufen, um Preissteigerungen über die Zeit messen und vergleichen zu können. Im Februar 2023 waren die Preise für die Waren und Dienstleistungen dieses Warenkorbs um 8,7 % höher als noch im Februar 2022. Für den gleichen Warenkorb musste man also im August 2022 fast 9 % mehr zahlen als noch im Vorjahr.

Grundsätzlich folgt die Preisfindung von Waren und Dienstleistungen dem Angebot und der Nachfrage. Eine höhere Nachfrage oder ein geringeres Angebot lässt die Preise steigen. Diesen Mechanismus haben wir eindrucksvoll bei der aufkommenden Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 bei den Preisen für FFP2-Masken feststellen können. Aufgrund der sehr hohen Nachfrage und des geringen Angebots an Masken sind die Preise praktisch explodiert.

Es gibt viele Treiber für die aktuell hohe Inflationsrate: die Corona-Pandemie und deren Nachwirkungen, Lieferengpässe, der Krieg in der Ukraine, die Geldpolitik der Notenbanken und so weiter. Nur einen einzelnen Grund oder einen einzelnen Schuldigen auszumachen, greift zu kurz.

Ist Inflation etwas komplett Neues? Schauen wir uns dazu die Inflationsraten der letzten 30 Jahre an.

Quelle: Statistisches Bundesamt (www-genesis.destatis.de)

Im Jahr 2021 sahen wir bereits mit über 3 % eine erhöhte Inflation. Auch früher gab es schon höhere Inflationsraten. Inflation ist unser ständiger Begleiter. Also kein Grund zur Panik? Nun, schauen wir uns exemplarisch an, was Inflation für die Wertentwicklung von Vermögen bedeuten kann.

Kurz gesagt, Inflation knabbert am Ersparten. Kopfkissen und Sparbuch sind sicher keine gute Kapitalanlage, um der Inflation zu trotzen. Dies dürfte allgemein bekannt sein. Es ist dennoch verwunderlich, dass so viel Geldvermögen weiterhin in Performance-schwachen Anlagen investiert ist. Von dem aktuellen Geldvermögen der Deutschen in Höhe von 7,6 Bio. € lagern rund 40 % auf Sparbuch und Co. Dank Inflation ist das pure Wertvernichtung.

Die Inflation hat auf verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Auswirkungen. Die einen machen sich Sorgen, wie sie im Winter die Heizkosten und ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen. Die anderen haben Angst davor, dass ihr Vermögen wie Eis in der Sonne einfach dahinschmilzt. Eine aktuelle Civey-Umfrage im Auftrag von Canada Life verdeutlicht die derzeitigen Sorgen der Bevölkerung. Laut Umfrage sind die Energieversorgung mit 68 % und die Inflation mit 64 % die derzeit größten Sorgen – noch vor dem Krieg und dem Klimawandel.

Inflation ist deshalb für Ihr Neu- wie auch Bestandsgeschäft sehr relevant. Im nächsten Abschnitt schauen wir uns als Erstes das Neugeschäft an. Wir gehen der Frage nach, was Inflation für Ihr Neugeschäft konkret bedeutet und welche Aspekte dabei besonders zu beachten sind.

Die Auswirkungen der Inflation auf Ihr Neugeschäft: Darauf ist zu achten

Im Neugeschäft wirkt sich die Inflation sowohl auf die Altersvorsorge als auch auf die Risikoabsicherung negativ aus. In beiden Fällen wird die Vorsorgelücke des Kunden größer. Bei der Produktauswahl ist daher auch das Thema Inflation zu berücksichtigen. Doch wie genau? Worauf ist zu achten?

Im Rahmen der Beratung zur Altersvorsorge kommt häufig ein Rentenlückenrechner zum Einsatz. Anhand von ein paar wenigen Eingaben, wie zum Beispiel Bruttolohn und Geburtsjahr, lässt sich die voraussichtliche Rentenlücke ermitteln. Üblicherweise kann dabei auch eine Inflationsannahme (zum Beispiel 2 % pro Jahr) berücksichtigt werden. Die Schlussfolgerung ist dann häufig: einfach eine Beitragsdynamik einschließen und das Thema Inflation ist gegessen.

Doch Achtung! So einfach ist das nicht. Eine Beitragsdynamik ist schön und gut, aber auch nur dann, wenn das Produkt gut ist. Oder würden Sie aktuell auf die Idee kommen, auf Ihr Sparbuch einen Sparplan abzuschließen und dann zum Inflationsausgleich eine Beitragsdynamik zu integrieren? Vermutlich nicht!

Bei der Altersvorsorge ist deshalb aktuell und mehr denn je auf das Rendite-Risiko-Profil des Produkts zu achten. Vergessen Sie unbedingt die klassische Hochrechnung mit 3/6/9 %. Sie bringt Ihnen rein gar nichts, wenn es darum geht, die realistischen Renditechancen des Produkts einzuschätzen! Und gegen eine hohe Inflation hilft nur eine hohe Rendite.

Ebenfalls wichtig bei der Altersvorsorge ist die Option auf eine anlageorientierte Rentenbezugsphase. Denn auch im Rentenbezug, der ja durchaus 20, 30 Jahre oder länger dauern kann, herrscht Inflation vor. Diese ist nur durch geeignete Rentensteigerungen aufzuhalten. Und für Rentensteigerungen braucht es eben auch eine gute Performance aus der Kapitalanlage!

Mit einer Risikoabsicherung soll die vorhandene Deckungslücke (zum Beispiel im Todesfall oder im Fall einer Berufsunfähigkeit) geschlossen werden. Das Problem dabei ist, dass sich durch die Inflation die tatsächliche Deckungslücke des Kunden über die Zeit erhöht. Eine Beitragsdynamik (oder auch Leistungsdynamik) einzuschließen, macht also auch hier Sinn.

Zu bedenken ist aber zusätzlich noch Folgendes: Beim Versicherer steigen durch die Inflation gegebenenfalls die Kosten für die Verwaltung und auch die Ausgaben für Leistungsfälle. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass die Überschussbeteiligung auch bei Risikoversicherungen sinkt.

Die Überschussbeteiligung verwendet man bei Risikoversicherungen häufig zur Beitragsverrechnung. Dies führt dazu, dass der Kunde statt des eigentlichen Beitrags (Bruttobeitrag) einen reduzierten Beitrag (Nettobeitrag) zahlt. Bei der Auswahl einer Risikoversicherung schaut man also am besten nicht nur auf den Nettobeitrag, sondern beschäftigt sich auch mit dieser „Brutto-Netto-Spreizung“.

Schauen wir uns dazu ein Beispiel an. Wir betrachten 2 Anbieter von Risikoversicherungen mit ansonsten gleichem Leistungsspektrum. Anbieter 1 hat im Neugeschäft einen Bruttobeitrag von 80 €. Seine derzeitige Überschussbeteiligung führt zu einer Beitragsverrechnung von 30 €. Der Kunde zahlt bei Anbieter 1 dadurch einen Nettobeitrag von 50 €.

Es handelt sich hierbei lediglich um ein fiktives Rechenbeispiel.

Anbieter 2 kalkuliert etwas vorsichtiger und berechnet dadurch einen höheren Bruttobeitrag von 100 €. Aufgrund der aktuellen Situation in seinem Bestand oder eventuell auch aus Wettbewerbsgründen gewährt er eine deutlich höhere Überschussbeteiligung. Durch eine Beitragsverrechnung von 60 € liegt der Nettobeitrag bei Anbieter 2 nur bei 40 €. Er ist somit niedriger als bei Anbieter 1.  

Wichtig ist: Der Kunde von Anbieter 2 müsste jedoch im „Worst Case“, wenn Anbieter 2 die Überschüsse auf 0 reduziert, den vollen Bruttobeitrag von 100 € zahlen. Bei Anbieter 1 wären es nur 80 €.

Nicht nur Ihr Neugeschäft, sondern auch Ihr Bestandsgeschäft ist von der Inflation betroffen. Was Sie bei Ihrem Bestandsgeschäft zu beachten haben und was Inflation mit dem Ablaufmanagement zu tun hat, erfahren Sie im nächsten Abschnitt

Inflation: Ihr Bestandsgeschäft dürfen Sie nicht aus den Augen lassen

Nicht nur Ihr Neugeschäft, sondern auch Ihr Bestandsgeschäft ist von der Inflation betroffen. Was Sie beachten müssen und was Inflation mit dem Ablaufmanagement bei einer Rentenversicherung zu tun hat, erfahren Sie heute in meinem letzten Teil der „kurz & knapp“-Reihe zum Top-Thema „Inflation“.

Wie könnten Ihre Bestandskunden reflexartig auf die hohe Inflation reagieren? Sie könnten Beitragspausen einlegen oder sogar eine Beitragsfreistellung beantragen. Sie könnten Dynamiken aussetzen oder sogar Leistungen reduzieren.

In allen Fällen wird die Vorsorge-Lücke, die durch die hohe Inflation ohnehin vergrößert wird, noch größer. Das kann nicht gut sein!

Stehen Sie Ihrem Bestandskunden zur Seite und zeigen Sie ihm auf, wo jetzt Handlungsbedarf besteht.

Kommen wir zuerst zu den Altersvorsorgeverträgen in Ihrem Bestand. Bei einer Rentenversicherung im Rentenbezug stehen und fallen die Renditeaussichten für die restliche Laufzeit in den meisten Fällen mit der klassischen Überschussbeteiligung. Berücksichtigt man die (hohe) Inflation, dann dürften die üblichen Rentensteigerungen kaum ausreichen, um ihr Herr zu werden. Es lohnt sich ein Blick in die Vertragsunterlagen: Gibt es Wahlmöglichkeiten bei der Kapitalanlage oder liegt eine Option auf einen anlageorientierten Rentenbezug vor? Dann wäre jetzt ein guter Zeitpunkt zum Handeln.

Illustration der Wertentwicklung eines Rentenfonds*

Bei einer Rentenversicherung kurz vor dem Rentenbezug ist auf jeden Fall Handeln angesagt. Welche Anlageformen in der Rentenphase sind beim jetzigen Anbieter für Ihren Kunden möglich? Hat Ihr Kunde keine Option auf einen anlageorientierten Rentenbezug, kommt womöglich nur ein Anbieterwechsel in Frage. Oder plant Ihr Kunde ohnehin eine Kapitalabfindung?

Unabhängig davon, ob Ihr Kunde die Rente nehmen wird oder sich das Kapital auszahlen lassen möchte, schauen Sie sich mit Ihrem Kunden die aktuelle Kapitalanlage genau an. Wie sieht die Investition Ihres Kunden derzeit aus? Ist die aktuelle Kapitalanlage ausreichend, um der hohen Inflation zu trotzen?

Und dann gibt es noch einen ganz wichtigen Punkt bei Verträgen kurz vor dem Ende der Sparphase: Gibt es bei der Kapitalanlage ein Ablaufmanagement?

Beim Ablaufmanagement kommen häufig sogenannte „risikoarme“ Fonds zum Einsatz. Manche davon sind derzeit – bereits ohne Berücksichtigung der Inflation – dank der steigenden Zinsen wahre Geldvernichtungsmaschinen!

Bei dem klassischen Ablaufmanagement kommen als „risikoarme“ Fonds häufig sehr defensive Mischfonds oder Rentenfonds zum Einsatz. Diese Fonds sind in der Regel vollgepackt mit Anleihen. Damit gehen aktuell aufgrund der steigenden Zinsen ordentliche Kursverluste einher. In der folgenden Abbildung ist die Wertentwicklung eines typischen Rentenfonds illustriert.* Schauen Sie sich genau an, welche „risikoarme“ Kapitalanlage beim Ablaufmanagement im Vertrag Ihres Kunden zum Einsatz kommt. Sind das Ablaufmanagement und der Fonds wirklich für die nächsten Jahre geeignet?

Bei einer Rentenversicherung mit noch recht langer Sparphase stellt sich die Frage, ob chancenreicher investiert werden kann. Ist z. B. beim bisherigen Vertrag eine hohe Garantie eingeschlossen, so sollte abgewogen werden, ob diese nicht reduziert werden kann. Wichtig dabei ist jedoch: Wie viel mehr Partizipation an der chancenreichen Anlage bringt das? Nur wenn die chancenreiche Anlage auch Renditepotenzial hat, kann sich eine Garantiereduktion lohnen.

Und was ist, wenn die bisherige Rentenversicherung für die nächsten 15, 20 oder mehr Jahre ziemlich sicher kaum noch Renditechancen verspricht? Dann stellt sich die Frage, ob es nicht besser ist, den bisherigen Vertrag beitragsfrei zu stellen oder zu kündigen. Für die weiteren Beiträge und das Guthaben findet sich vermutlich eine andere, aussichtsreichere Geldanlage. Dies muss aber immer im Einzelfall angeschaut werden. Pauschale Aussagen sind nicht seriös!

Wenn die Renditechancen der bisherigen Rentenversicherung auch für die Zukunft als gut angesehen werden können, könnte Ihr Kunde mit einer Zuzahlung die Lücke bei der Altersvorsorge weiter reduzieren. Hierbei ist es jedoch wichtig, die Konditionen für eine Zuzahlung (z. B. Kosten, Rentenfaktor, Anlage) zum bestehenden Vertrag in Erfahrung zu bringen. Nur so kann abgeschätzt werden, ob eine Zuzahlung in den bisherigen Vertrag oder doch eine separate Einmalprämie in einen neuen Vertrag sinnvoll ist.

Die Inflation wirkt auch bei Risikoversicherungen in Ihrem Bestand. Inflation bedeutet nichts anderes, als dass der Absicherungsbedarf Ihres Kunden über die Zeit steigt. Ihr Kunde sollte unbedingt die Dynamiken im Vertrag nutzen, um seine Leistungen ebenfalls anzuheben. Zudem können Sie sich zusammen mit Ihrem Kunden anschauen, ob zusätzlich eine weitere Leistungserhöhung angebracht ist. Bei vielen Verträgen besteht die Möglichkeit, bei bestimmten Ereignissen (z. B. Jobwechsel, Hochzeit, Nachwuchs) die Leistungen ohne Gesundheitsprüfung zu erhöhen.

Die hohe Inflation kann zukünftig für eine niedrigere Überschussbeteiligung sorgen. Und das hat auch Auswirkungen auf Risikoversicherungen. Der Nettobeitrag kann dort bei sinkender Überschussbeteiligung bis zum Bruttobeitrag ansteigen. Details zur „Brutto-Netto-Spreizung“ habe ich bereits im vorherigen Abschnitt erläutert.

Inflation ist und bleibt ein Dauerbrenner. Inflation betrifft Ihr Neugeschäft und Ihr Bestandsgeschäft. Lassen Sie am besten beides nicht aus den Augen und vor allem: Seien Sie für Ihre Kunden da!

* Es handelt sich um die Wertentwicklung eines am Markt befindlichen Rentenfonds. Bei meiner Aussage geht es mir darum, auf den möglichen negativen Einfluss des Kapitalablaufmanagements auf einen Vertrag hinzuweisen. Es geht nicht darum, einen konkreten Fonds schlechtzumachen oder an den Pranger zu stellen. So wie diesem Fonds erging es zahlreichen vergleichbaren Fonds in den letzten Monaten. Aus diesem Grund zeige ich hier eine anonymisierte Wertentwicklung.

Dieser Artikel wurde als dreiteilige Serie erstmals im Herbst 2022 veröffentlicht.