Deutsch / Opinion

1001 Anlagemöglichkeiten für den Ruhestand (Teil 3)

Die sogenannten Tontinen gelten als Vorläufer der heutigen privaten Rentenversicherung. In der Reinform einer Tontine nimmt zum Beispiel ein Verein, ein Unternehmen oder ein Staat gegen eine Gebühr Einzahlungen von Teilnehmern an. Das angesammelte Kapital wird verzinst und zu festgelegten Zeitpunkten an die dann noch lebenden Teilnehmer ausgezahlt.

In der modernen Variante einer Tontine, der privaten Rentenversicherung, erhält die versicherte Person ab dem definierten Rentenbeginn lebenslang eine monatliche Rente – unabhängig davon, wie alt sie wird. Damit liefert die private Rentenversicherung eine verlässliche finanzielle Sicherheit im Alter.

Zwar genießt die Rentenversicherung Steuervorteile, sie gilt aber auch als reichlich veraltet – und damit etwas „aus der Zeit“.

Die private Rentenversicherung sieht sich oft hartnäckigen Vorurteilen ausgesetzt – sie sei unflexibel, teuer und wenig rentabel. Diese Kritik trifft auf moderne Produkte nur noch bedingt zu. Ein großer Vorteil der privaten Rentenversicherung liegt im steuerlichen Nutzen, der aus staatlicher und gesellschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist: Sie bietet eine sichere und langfristig planbare Einkommensquelle, was bei vielen alternativen Finanzprodukten einfach nicht der Fall ist.

Nur eine private Rentenversicherung garantiert eine lebenslange Rente. Die wachsende Bedeutung dieser Eigenschaft zeigt sich daran, dass sich die Dauer des Rentenbezugs in der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland seit den 1970er Jahren bis heute verdoppelt hat.1

Ein langes Leben ist wunderschön, stellt jedoch aus finanzieller Sicht ein erhebliches Risiko dar. Genau dieses Risiko lässt sich mit einer privaten Rentenversicherung absichern.

Das Thema „Kosten“ polarisiert stark und wird, wie viele andere Themen abseits der Finanzindustrie auch, selten sachlich und objektiv behandelt. Ein großer Fehler in der Diskussion und der Argumentation der Kritiker ist der einseitige Fokus auf die Kosten.

Auch wenn die Kosten für sich allein genommen gar nicht entscheidend sind, lohnt sich dennoch ein genauerer Blick auf die vermeintlichen Kostenpositionen einer privaten Rentenversicherung.

  • Provision: Die Provision ist das Entgelt, das der Vermittler für die Beratung des Kunden erhält. Ähnlich wird auch ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder anderer Dienstleister für seine Beratung und Arbeit vom Kunden bezahlt. Diese Provision muss daher unabhängig vom Produkt betrachtet werden. Es handelt sich um eine Vergütung für eine eigenständige Dienstleistung, nämlich die Beratung und Begleitung des Kunden im komplexen Bereich der Altersvorsorge. Diese Beratung durch einen Finanzprofi kostet Geld, weil sie eine wertvolle Dienstleistung darstellt. Sie ist notwendig, um dem Kunden Orientierung im Altersvorsorge-Dschungel zu geben – es sei denn, er möchte in finanzieller Hinsicht im Blindflug unterwegs sein. Man kann über die „faire“ Höhe einer solchen Provision oder auch über die Qualität einer einzelnen Beratung diskutieren, aber sie ist für die meisten Kunden einfach unverzichtbar.
  • Kosten für die Risikoabsicherung: Hierbei handelt es sich nicht um klassische Kosten des Produkts. Für die Übernahme von Risiken, wie etwa das Todesfallrisiko, erhält der Lebensversicherer eine Risikoprämie. Diese Prämie dient dazu, die Versicherungsfälle innerhalb des gesamten Kollektivs finanzieren zu können. Wenn ein Versicherungsfall eintritt, bekommt die betroffene Person nur deshalb eine Auszahlung, weil andere Versicherte keine Leistungen beanspruchen, jedoch ihre Prämien zahlen. Die Risikoabsicherung ist ein echter Zusatznutzen für den Kunden.
  • Kosten für die Verwaltung: Dies sind die eigentlichen Kosten des Produkts. Hier besteht zweifelsfrei noch Optimierungsbedarf. In der Vertragsverwaltung gibt es für Lebensversicherer noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Einige wenige Beispiele am Markt zeigen jedoch, dass es möglich ist, mit modernen Fin- und Insurtechs mitzuhalten – sowohl hinsichtlich Qualität und Flexibilität als auch bei den Kosten und der Transparenz.

Was häufig bei der Diskussion rund um die Kosten auch noch vergessen wird:

  • Steuerliche Vorteile relativieren die Kosten erheblich – insbesondere im Kontext der üblicherweise sehr langen Laufzeiten einer privaten Rentenversicherung.
  • Den Kosten stehen Renditechancen gegenüber. Schaut man nur auf die Kosten, landet man womöglich beim Sparbuch. Macht das Sinn?

Bei jeder Geldanlage, und da zählt auch die private Rentenversicherung dazu, muss das Rendite-Risiko-Profil nach allen Kosten und Steuern betrachtet werden.

Als Begründung führen die Kritiker der privaten Rentenversicherung häufig den garantierten Rentenfaktor an.

Wenn eine private Rentenversicherung zur Verrentung kommt, wird der Rentenfaktor wichtig. Dies gilt vor allem für die fondsgebundene Rentenversicherung (FRV). Für die FRV kann bei Vertragsbeginn aufgrund der unsicheren späteren Ablaufleistung kein fester Rentenwert in EUR angegeben werden.

Die Berechnung des Rentenfaktors basiert auf den sogenannten Rechnungsgrundlagen. Im Wesentlichen sind dies die Annahmen zum Rechnungszins sowie den Annahmen zur zukünftigen Lebenserwartung. Bei den Rentenfaktoren muss man unterscheiden zwischen:

  • Aktueller Rentenfaktor: Dieser Wert ist in Angeboten oft prominent dargestellt, aber unverbindlich. Er zeigt lediglich, wie der Rentenfaktor beim zukünftigen Rentenbeginn zum aktuellen Zeitpunkt aussehen würde. Beim Vertragsabschluss können aber noch gut und gerne zehn, zwanzig oder mehr Jahre bis zum Rentenbeginn vergehen. Der aktuelle Rentenfaktor ist also im besten Fall eine grobe Indikation.
  • Garantierter Rentenfaktor: Dieser Wert liegt unterhalb des aktuellen Rentenfaktors und gibt an, wie hoch der Rentenfaktor im ungünstigen Fall sein wird. Diese Garantie kann jedoch unter bestimmten Bedingungen angepasst werden, sodass sie nicht absolut sicher ist.
  • Tatsächlicher Rentenfaktor: Dieser Rentenfaktor wird zum tatsächlichen Rentenbeginn auf Basis der dann gültigen Rechnungsgrundlagen ermittelt und legt die tatsächliche Höhe der Rente fest.

Daher ist es viel wichtiger,

  • dass die private Rentenversicherung in der Ansparphase renditestark ist. Für eine hohe Rente im Alter braucht es zum Rentenbeginn vor allem viel Kapital.
  • dass die private Rentenversicherung auch in der Rentenphase renditestark ist. Die Rente soll während der Rentenphase ordentlich steigen können.

Für eine eingehende Betrachtung der Rentenfaktoren empfehle ich meinen früheren Klartext-Artikel „Der (garantierte) Rentenfaktor: Mythos, Legende oder gar nur ein Märchen?“.

Was die Kapitalanlage betrifft, können beide Produkte bereits heute sehr ähnlich sein. In beiden Varianten können dieselben ETFs eingesetzt werden, und es ist grundsätzlich auch möglich, ähnliche Sicherheitsmechanismen und Rendite-Risiko-Profile anzubieten.

Im nächsten Schritt könnten ETF-Sparpläne (und auch ETF-Entnahmepläne) steuerlich der FRV gleichgestellt werden. Dadurch wären Lebensversicherer noch stärker gefordert, die tatsächlichen Produktkosten, also die Verwaltungskosten, signifikant zu reduzieren.

Am Horizont sind die beiden Produkte dann in Bezug auf Kapitalanlage, Kosten und steuerlichen Vorteilen nahezu identisch. Der große Vorteil nach dieser “Gleichmachung” wird dann bei der FRV liegen. Nur hier ist die Absicherung gegen biometrische Risiken wie Tod, Berufsunfähigkeit und Langlebigkeit möglich. Diesen Risikoausgleich im Kollektiv gibt es bei dem ETF-Sparplan nicht.

Selbst, wenn eine Person während einer Beratung der Meinung ist, dass sie diese zusätzliche Absicherung im Moment gar nicht benötigt, wird sie sich dennoch für die FRV entscheiden. Nur hier besteht zukünftig die Möglichkeit, flexibel eine Absicherung der biometrischen Risiken hinzuzufügen.

Die private Rentenversicherung ist schon heute ein zentraler Baustein einer Ruhestandsplanung. Sie bietet eine verlässliche, flexible und steuerlich begünstigte Möglichkeit, ein lebenslanges Einkommen zu sichern und sich gegen die Unsicherheiten des langen Lebens abzusichern.

Wie bei allen Finanz- und Nicht-Finanzprodukten gibt es gute und weniger gute Angebote. Die Wahl des passenden Produkts ist entscheidend. Vermittler und Lebensversicherer stehen hier gleichermaßen in der Verantwortung: Die Eigenschaften der Produkte müssen klar und verständlich dargestellt und kommuniziert werden. Nur so kann eine richtige Wahl getroffen werden. Produktkonzepte, die kein optimales Rendite-Risiko-Profil bieten, sollten gar nicht erst angeboten werden.

Moderne private Rentenversicherungen sind deutlich flexibler als ihre Vorgänger. Kunden haben die Möglichkeit, Ein- und Auszahlungen anzupassen und verschiedene Rentenoptionen zu nutzen. Auch wird bei einigen wenigen Produkten schon heute eine anlageorientierte Rentenphase angeboten.

Im zweiten Teil der Artikelreihe haben wir uns bereits Entnahmepläne als mögliche Alternative zur privaten Rentenversicherung näher angeschaut. Im nächsten Teil folgen weitere Alternativen.

Bleiben Sie dran!

Quellen und Anmerkungen:

1: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken-und-Berichte/Rentenatlas/2023/rentenatlas-2023-dauer-des-rentenbezugs.pdf